Agonie in den Südlichen Prärien

Sheridan Im letzten Jahr des Bürgerkriegs führten die Generäle des Nordens - Grant, Sherman und Sheridan - den totalen Krieg gegen den Süden und zwangen ihn durch pausenlosen Beschuß, sich zu ergeben. Vier Jahre später - Grant war inzwischen Präsident, Sherman Oberbefehlshaber der Armee und Sheridan Kommandant aller Truppen auf den Prärien - wandten diese drei Männer dieselbe Strategie gegen die Indianer an: Sie setzten die letzten freien Indianer der Südlichen Prärien ständig unter Druck, um sie zu zwingen, in die Reservationen zu gehen, wo Missionare und Erzieher sie in Weiße verwandeln konnten.

Nach Custers Massaker an Black Kettles Cheyenne am Washita River befahl Sheridan allen Kiowa, Comanche, Cheyenne und Arapaho, die noch Widerstand leisteten, in die neuen Reservationen zu ziehen, wenn sie nicht von der Armee aufgerieben werden wollten. Eingeschüchtert von Black Kettles grausamem Schicksal folgten die meisten dem Befehl. Aber nach einer Weile erschienen ihnen die Reservationen wie ein Gefängnis. Man hatte ihnen die Jagdgründe mit gebrochenen Versprechen geraubt, und sie waren oft krank, froren und hungerten, da die Nahrung, die sie bekamen, oft verdorben war. Um 1870 standen die Kiowa und Comanche kurz vor einer Revolte.
Viele Reservationsbewohner erinnerten sich damals der eindrucksvollen Worte des betagten Comanche-Häuptlings Ten Bears auf der Vertragsversammlung von 1867 am Medicine Lodge Creek:

Ihr habt gesagt, ihr wollt uns in eine Reservation bringen, ihr wollt uns Häuser bauen ... Ich will sie nicht.
Ich bin auf der Prärie geboren, wo der Wind frei wehte und wo es keine Zäune gab und alles frei atmete.
Ich will dort sterben und nicht zwischen Mauern. Der weiße Mann besitzt das Land, das wir liebten, und
wir wollen nur bis zu unserem Tod über die Prärie ziehen.
Satanta Eine andere leidenschaftliche Stimme am Medicine Lodge Creek war die von Satanta (White Bear), einem großen Kiowa-Häuptling:
Ich liebe das Land und den Bison, und ich werde mich nicht davon trennen. Ich will, daß die Kinder aufwachsen, wie ich aufgewachsen bin. Ich will nicht seßhaft werden. Ich liebe es, über die Prärie zu streifen. Dort fühle ich mich frei und glücklich. Aber wenn wir seßhaft werden, verkümmern wir und sterben. Vor langer Zeit gehörte dieses Land unseren Vätern; aber wenn ich zum Fluß hinaufgehe, sehe ich an seinen Ufern Soldatenlager. Diese Soldaten haben meine Bäume gefällt; sie töten meine Bisons; und wenn ich das sehe, zerreißt es mir das Herz. Das ist unser Land. Hier haben wir immer gelebt. Wir hatten immer reichlich zu essen, weil das Land voller Bisons war. Wir waren glücklich. Dann seid ihr gekommen. Wir müssen uns schützen. Wir müssen unser Land retten. Wir müssen kämpfen für das, was unser ist.
Lone Wolf Beide, Ten Bears und Satanta, sind zuletzt doch in eine der Reservationen gegangen - Ten Bears friedfertig, Satanta gegen seinen Willen. Er wurde von Custer verhaftet und als Gefangener in die Reservation gebracht, wo General Sheridan ihn bald freiließ. Satanta war ein kräftig gebauter 50jähriger Riese mit rabenschwarzem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel; er war ein rastloser Abenteurer und ein entschlossener Feins des weißen Mannes. Er und Lone Wolf, ein anderer militanter Häuptling, sowie Kicking Bird, der sich im Gegensatz zu den beiden anderen dafür aussprach, Frieden mit den Amerikanern zu halten und sich an das neue Leben anzupassen, kämpften um die Führung der Kiowa.

Von Zeit zu Zeit stahl sich Satanta aus der Reservation und organisierte Raubzüge nach Texas und Mexiko, um sich Nahrung und Vorräte zu beschaffen. Da die von der Regierung versprochenen Verpflegungsrationen selten ausreichten, waren diese Überfälle oft die einzige Möglichkeit, das Überleben zu sichern.
Big Tree Im Mai 1871 führte Satanta zusammen mit drei anderen Kiowa-Anführern einen solchen Trupp nach Texas: mit dem 70jährigen Satank (Sitting Bear), der als einer der zehn tapfersten Kiowa-Krieger verehrt wurde; mit Big Tree, einem jugendlichen Kriegshäuptling; und mit dem Medizinmann Mamanti (Sky Walker). Ihr Angriffsziel war eine Kolonne aus zehn Fuhrwerken, die Mais geladen hatten. Die Indianer töteten sieben der 12 Fuhrleute, plünderten und verbrannten die Wagen und nahmen 41 Maultiere mit. Nur knapp verpaßten die Indianer eine kleinere Kolonne, die General Sherman eskortierte. Als Sherman von der Attacke auf den Maultierzug erfuhr, eilte er wütend nach Fort Sill in die Reservation. Satanta und die anderen Häuptlinge, die gerade von ihrem Raubzug zurückgekehrt waren, wurden herbeizitiert und verhört, was sie über die Angelegenheit wüßten. Trotzig verkündete Satanta, er selbst habe den Raubzug geführt.
Sherman ließ Satanta, Satank und Big Tree verhaften. In dem darauffolgenden wilden Handgemenge wäre Sherman fast erschossen worden; doch schließlich wurden die drei Häuptlinge unter Bewachung nach Texas geschickt, wo sie für den Mord an den Fuhrleuten vor Gericht kommen sollten. Unterwegs stimmte Satank den Todesgesang der Koitsenko an, der geachteten Krieger-Gesellschaft, die er anführte. Während die Wagen die Straße entlangrollte, verkündete er denen, die seine Muttersprache verstanden:
Erzählt ihnen, daß ich tot bin. Ich starb am ersten Tag da draußen, und meine Knochen werden neben
der Straße liegen. Ich will, daß mein Volk sie aufsammelt und in meine Heimat bringt. Seht ihr diesen
Baum da vorne? Weiter als bis zu diesem Baum werde ich nicht kommen.
Als sich die Wagen dem Baum näherten, hatte sich Satank die Handgelenke bis auf die Knochen durchgebissen und schaffte es, sich aus seinen Handschellen herauszuwinden. Plötzlich zog er ein Messer, das er unter seiner Decke versteckt hatte, stürzte sich auf einen der Wachposten und schleuderte ihn vom Wagen. Die anderen Wachen zogen ihre Gewehre und erschossen den Kiowa-Anführer. Satanks letzter Wunsch, daß man seinen Leichnam in die Heimat bringen möge, wurde ihm nicht erfüllt. Seine Überreste liegen in Fort Sill.

Sherman In Texas wurden Satanta und Big Tree von weißen Geschworenen zum Tode durch den Strang verurteilt. Doch einflußreichen Reformern im Osten, die sich dafür aussprachen, die Indianer mit gewaltfreien Mitteln zum Einlenken zu bewegen, gelang es mit Hilfe von Mitgliedern aus Grants Administration, Gouverneur Edmund J. Davis von Texas zu überreden, die Todesstrafe zuerst in lebenslängliche Haft umzuwandeln und die Kiowa schließlich auf Bewährung zu entlassen.
Sherman tobte. Während die beiden Häuptlinge zur Reservation zurückgebracht wurden, schrieb der Mann, der einmal eine Unionsarmee von Atlanta bis zur Küste hatte marschieren lassen, wütend an den Gouverneur von Texas: "Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, als ich mit einer kleinen Eskorte eine Inspektions-Reise in Ihrem Grenzgebiet unternommen habe, und was ich Ihnen jetzt sage, habe ich auch dem Militär-Kommandanten gesagt: Kein zweites Mal werde ich im Interesse Ihres Grenzgebiets freiwillig so ein Risiko auf mich nehmen; ich bin sicher, daß sich Satanta und Big Tree rächen werden, wenn sie es nicht schon getan haben, und falls sie sich Skalps holen sollten, wünsche ich Ihnen, daß Ihrer der erste ist."

Satanta und Big Tree sahen auf die Bisonjäger eine neue Krise zukommen: Im Jahre 1871 entwickelte eine Gerberei im Osten eine Methode, Bisonhäute zu einem hochwertigen Leder zu verarbeiten, worauf die Nachfrage nach den Häuten rapide zunahm. Die Südlichen Prärien wurden von Jägern überschwemmt, die die Tiere zu Tausenden abschossen. Von 1872 bis 1874 schlachteten die Jäger - viele mit den neuen Hochleistungs-Gewehren von Sharps - fast vier Millionen ab und ließen die enthäuteten Kadaver in der Prärie verwesen.
Quanah Parker Die Weißen betrachteten die Geschehnisse als unerwarteten Glücksfall: Wenn die Lederjäger die Bisonherden vernichteten, zerstörten sie auch die Nahrungsgrundlage der Indianer. Wenn die Indianer nicht hungern wollten, würden sie in die Reservate gehen und sich mit der Verpflegung der Regierung abfinden müssen. "Sie haben mehr für die Klärung der vieldiskutierten Indianerfrage getan als die ganze Berufsarmee", sagte General Sheridan in einer Sitzung der Legislative von Texas. "Sie zerstören die Nahrungsquelle der Indianer. Laßt sie töten, häuten und verkaufen, bis die Bisons ausgerottet sind - einem dauerhaften Frieden zuliebe."
Im Sommer 1874 mobilisierten Satanta, Lone Wolf und Quanah Parker, der Anführer der Kwahadi-Comanche, noch einmal alle Kräfte, um die weißen Jäger aus den Prärien südlich von Kansas zu verjagen, bevor die letzten Herden dahin sein würden: Eine verbündete Kampfmacht aus Kiowa, Kiowa-Apachen, Comanche, Cheyenne und Arapaho griff unter ihrer Führung den Stützpunkt der Lederjäger in der Nähe von Adobe Walls auf dem Landzipfel von Texas an.
Die Indianer attackierten das Siedlungsgebäude eins ums andere Mal, aber den Jägern mit ihren Büffelgewehren waren sie nicht gewachsen. Jedesmal wurden die Indianer mit Verlusten zurückgeschlagen. Am dritten Tag schließlich, nachdem ein Jäger einen Krieger mit seinem Sharps-Jagdgewehr mit Zielfernrohr aus einer Entfernung von über einem Kilometer vom Pferd geschossen hatte, gaben die Indianer den Kampf auf. Sie teilten sich von nun an in kleinere Gruppen auf und töteten in Einzelattacken Weiße von Colorado bis Texas. Die Regierung reagierte auf die Überfälle mit folgender Ankündigung: Alle Indianer, die sich nicht bis zum 3. August in ihren Reservationen gemeldet hätten, würde man als feindlich betrachten und angreifen. Wenig später marschierten gegen die Aufständischen fünf Kolonnen Infanterie und Kavallerie auf.

Bisonjagd
Das war der Anfang vom Ende. Wo noch von kurzem Bisongebiet gewesen war, zog sich jetzt die Schlinge aus Ranches, Farmen, Siedlungen, Eisenbahnlinien, Fahrstraßen, Telegrafenleitungen und anderen Attributen des weißen Mannes immer enger um die frei umherziehenden Gruppen. Während viele sich geschlagen gaben, machten sich Lone Wolfs Kiowa, mit ihnen einige der Comanche und Cheyenne, auf den Weg zu ihren alten, abgelegenen Lagerplätzen im Palo Duro Canyon in der "Staked Plain" in Texas. Der zerklüftete Canyon war Weißen fast unbekannt. Trotzdem fand Ende September 1874 eine Militärkolonne plötzlich die Indianerlager, die sich über drei Kilometer auf dem Grund des Canyon verteilten.
Die Indianer leisteten nur kurz Widerstand, dann flohen sie. Die Soldaten verfolgten sie nicht, sondern begnügten sich damit, die verlassenen Lager mit allem Inventar niederzubrennen und die Pferde und Maultiere - an die 1400 Tiere - zu töten. Den Verfolgten blieb angesichts des nahenden Winters keine Wahl, als sich mehr schlecht als recht zu den Reservationen durchzuschlagen und zu ergeben.
Satanta, der bei Adobe Walls mitgekämpft hatte, wurde im November verhaftet, weil er gegen die Bewährungsauflagen verstoßen hatte, und wurde wieder ins Gefängnis in Huntsville, Texas, eingeliefert. Vier Jahre später, im Oktober 1878, wurde gemeldet, er habe Selbstmord verübt und sich aus einem Fenster des Gefängnis-Krankenhauses gestürzt. Die Kiowa, die den unerschrockenen Krieger gekannt hatten, waren überzeugt, daß man ihn ermordet hatte.
Um die Stämme der Südlichen Prärien ein für allemal zu zerschlagen, trieb die Armee zehntausend ihrer Pferde zusammen und erschoß sie. Damals wurden sie für die Bisonjagd nicht mehr benötigt, weil die "Indianerbüffel" fast ausgerottet waren. In zwölf Jahren nach 1874 war der Bisonbestand von 30 Millionen auf weniger als tausend dezimiert worden. In den Augen der Kiowa-Frau Old Lady Horse verschwand mit den Bisons auch die Lebensweise dieser Völker:
Die Kiowa, die noch frei umherziehen konnten, hatten ihr Lager an der Nordseite des Mount Scott
aufgeschlagen. Eine junge Frau stand morgens sehr früh auf. Der Morgennebel stieg noch vom
Medicine Creek herauf, und als sie über das Wasser blickte und durch den Dunst spähte, sah sie ...
wie eine Traumgestalt die letzte Bisonherde auftauchte. Genau auf den Mount Scott ging der
Anführer der Herde zu. Hinter ihm kamen die Kühe und ihre Kälber und die wenigen jungen Stiere,
die überlebt hatten. Vor den Augen der Frau öffnete sich der Berg. Im Innern des Mount Scott
war die Welt grün und frisch, wie sie früher gewesen war, als sie noch ein kleines Mädchen war.
Die Flüsse führten klares Wasser, nicht rotes. Die Wildpflaumen standen in Blüte und schmückten
mit ihren roten Knospen die inneren Hänge. In diese Welt der Schönheit gingen die Bisons und
wurden nie wieder gesehen.


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